Lange Zeit galten die klassischen Methoden des Projektmanagements als einzig sinnvoll, ein Projekt erfolgreich durchzuführen. Der Projektablauf folgt dabei einem starren, aber durchaus bewährtem, Korsett. Zunächst werden Vision oder Vorhaben erörtert, Ziele und Erwartungen formuliert.
Anschließend wird ein Konzept erstellt. Dies klärt, Wie es gemacht wird, nachdem zuvor festgelegt wurde, Was gemacht wird. Je nach Projekt gibt es zudem ein Feinkonzept, welches detailliert die Abläufe und die zu liefernden Ergebnisse beschreibt. Danach geht es in die Umsetzung. Die einzelnen Disziplinen arbeiten ihre Aufgabenbereiche ab. Nicht gemeinsam oder parallel, sondern nacheinander, wie ein mehrstufiger Wasserfall. Ein Fachbereich folgt auf den nächsten. Zum Schluss wird noch getestet und dann sollte es passen.

Bewährte Methode mit Schwächen

Häufig passt es jedoch nicht und Fehler und Unstimmigkeiten im Konzept werden erst spät festgestellt. Zu einem Zeitpunkt, wenn bereits viel investiert worden ist und Änderungen aufwändig und teuer sind. Bei langwierigen Projekten passiert es zudem regelmäßig, dass sich die äußeren Umstände zwischenzeitlich ändern und das ursprüngliche Ansatz ihnen nicht mehr gerecht wird.

Aufkommen der agilen Methoden

Diese Probleme mit dem klassischen Projektmanagement-Methoden führten zur Entwicklung von neuen, flexibleren, Ansätzen: den sogenannten agilen Methoden. Erste gab es bereits in den 90er Jahren in der Software-Entwicklung. 2001 wurde das Agile Manifest vorgestellt, mit den Grundprinzipien des agilen Arbeitens.
Seitdem halten agile Methoden, wie Scrum und Kanban, auch in Disziplinen außerhalb der Software-Entwicklung Einzug. Besonders Kanban ist ein leicht umzusetzender Ansatz, der auch für Nicht-It-Projekte geeignet ist. Doch was genau kennzeichnet agiles Projektmanagement?

Worin unterscheiden sich agiles und klassisches Projektmanagement?

Große Unterschiede bereits beim Start

Schon in der ersten Phase unterscheiden sich agile Methoden deutlich vom klassischen Ansatz. Bei diesem wird ein detailliertes Konzept erstellt, welches die vollständige Umsetzung vorgibt. Die Erarbeitung nimmt einen großen Teil der Projektlaufzeit ein. Spätere Änderungen sind nicht vorgesehen und daher aufwändig.
Bei agilen Ansätzen wird hingegen nur die Vision von den Beteiligten gemeinsam erarbeitet. Dies kann in einem einzigen Meeting geschehen. Mögliche Anpassungen und Veränderungen sind jederzeit möglich und sogar erwünscht, sollte sich die Vision als nicht mehr tragbar herausstellen. Es ist elementarer Bestandteil agilen Projekmanagements, dass im laufenden Projekt immer neue Anforderungen hinzukommen und alte aussortiert werden.

„Heisse Anforderungsänderungen selbst spät in der Entwicklung willkommen. Agile Prozesse nutzen Veränderungen zum Wettbewerbsvorteil des Kunden.“
Aus 12 Prinzipien Agiler Softwareentwicklung, Agiles Manifest

Gemeinsam anstatt nacheinander und getrennt

Im klassischen Projektmanagement arbeiten die einzelnen Disziplinen unabhängig und nacheinander ihre Aufgaben ab. Bei agilen Projekten sind die Teams interdisziplinär, die gemeinsam das Produkt entwickeln. Dadurch kommt es nicht zu dem in vielen Unternehmen verbreitetem Silo-Denken, bei dem jeder Fachbereich nur in seiner Welt lebt und und das große Ganze nicht im Blick hat.

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Schnell und ohne fixen Termin

Ziel beim agilen Projektmanagement ist es, möglichst flott eine lauffähige Version abzulieferen. Diese muss weder perfekt sein, noch alle Funktionen beinhalten und kann auch von den ersten Ideen abweichen. Der Hauptaugenmerk liegt vielmehr darauf, etwas rasch unter realen Bedingungen einsetzen zu können. So kann in kurzer Zeit festgestellt werden, ob die Vision überhaupt tragbar ist. Falls nicht, wird sie geändert. Bei klassischen Methoden gibt es hingegen ein klar vorgegebenes Ergebnis, das bis zu einem bestimmten, geschätzten, Termin geliefert soll. Beim agilen Ansatz ist hingegen Budget und Zeit fix und man schaut, welche Anforderungen sich in dieser Zeit umsetzen lassen.
unterschiede klassisch agil

Unterschiedliche Rollen des Projektmanagers

Im klassischen Projektmanagement ist der Projektmanager von höchster Wichtigkeit. Er hat alles im Blick, achtet auf die Einhaltung von Konzept, Zeitplan und Budget. Er ist der Dreh- und Angelpunkt, über den die komplette Kommunikation läuft. Die Fachbereiche kommunizieren nicht untereinander. Dies übernimmt der Projektmanager.
Bei agilen Projekten spielt er eine weniger zentrale Rolle. Kanban kann sogar ohne eine derartig zentrale Person funktionieren. Der Product Owner bei Scrum trägt dafür Sorge, dass die Vision nicht aus dem Auge verloren wird, und ist für die Verständigung mit dem Kunden zuständig. Dennoch werden viele Entscheidungen demokratisch im Team getroffen. So hat das Team eine gewichtige Rolle mitzusprechen, wenn es darum geht, die nächsten Schritte zu besprechen. Nur das Team entscheidet, wie viele Aufgaben in einem Entwicklungszyklus, dem Sprint, gepackt werden. Da es interdisziplinär ist, kann es eigenverantwortlich Einschätzungen, die das gesamte Projekt betreffen, treffen.

Schnell und unvollständig oder langsam und komplett

Beim klassischen Ansatz gibt es einen konkreten Zeitplan, basierend auf einer Schätzung, an dessen Ende das fertige Projekt stehen soll. Selbstverständlich werden Zwischenstände abgenommen, wenn eine Disziplin an die nächste übergibt. Bei agilen Projekten wird in kurzen Zyklen gearbeitet, in Sprints, die nur zwei Wochen dauern, manchmal vier, jedoch nicht länger. Bereits nach kurzer Zeit gibt es Resultate. Zwar sind diese weder perfekt noch vollumfänglich abgeschlossen, lassen es aber zu, flexibel Anpassungen vorzunehmen und jederzeit auf Veränderungen im Umfeld oder bei der Vision zu reagieren.

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Die Vor- und Nachteile von agilen und klassischen Methoden im Überblick

Agil

  • Flexibilität
  • Interdisziplinär
  • Fokus auf Team
  • Schnell/unvorhersehbar
  • Kurze, iterative Schritte
  • Setzt Vertrauen voraus

Klassisch

  • klare, unbewegliche Abfolge
  • Jeder Bereich für sich
  • Fokus auf Projektleiter
  • Langsam/Vorhersehbar
  • Fokus auf finales Ergebnis
  • Klare Absprachen

Sind agile Methoden immer die bessere Wahl?

Beide Ansätze haben ihre Rechtfertigung. In der Praxis werden zudem häufig Mischformen eingesetzt, die beide Ansätzen verbinden.
Agile Methoden können besonders dann glänzen, je innovativer und neuartiger das Vorhaben ist. Je weniger es sich einschätzen lässt, ob die Vision in der Realität bestehen kann oder ob es reiner Wahnsinn ist, desto eher ist ein agiler Ansatz zu empfehlen. Nur er bietet die Möglichkeit, jederzeit Korrekturen und Anpassungen vorzunehmen.
Handelt es sich um ein Vorhaben mit wenigen Unbekannten, passt der klassische Ansatz. Er ist ideal, wenn das Projekt mit bereits bewährten Vorgehen durchführen werden kann.

Agile Methoden in der Praxis: Einschränkungen

In vielen Unternehmen oder Agentur wird mittlerweile zwar agil entwickelt, jedoch unter dem Denkmantel des klassischen Vorgehens. Agiles Projektmanagement setzt viel Vertrauen und Offenheit voraus. Beim klassischen Projektmanagement gibt es ein Konzept mit klar definierten Funktionen und Leistungen. Darauf basierend werden Kosten und Zeiten geschätzt. Für den Auftraggeber ist somit klar, war er bekommt und wann er es bekommt. Trifft es nicht zu, trägt in der Regel der Dienstleister die Schuld.
Wird agil gearbeitet, gibt es eine Vision, jedoch kein klar definiertes Ergebnis. Die Vision kann sich wandeln. Es gibt ein fixes Budget, doch was am Ende dabei rauskommt, ist nicht klar. Kunden erwarten allerdings, dass sie am Ende ein Produkt entsprechend des Konzepts erhalten. Daher sind agile Methoden schwierig zu kommunizieren.
Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass sie in vielen Fällen die bessere Wahl sind. Handelt es sich um ein Projekt mit vielen Unwägbarkeiten, sollte ein Dienstleister schon im Interesse des Kunden agile Methoden vorschlagen. Meistens legen sich die Vorbehalte nach einiger Zeit des gemeinsamen Arbeitens. Spätestens, wenn der Auftraggeber realisiert, wie schnell er Ergebnisse zu sehen bekommt, fangen die Vorbehalte an zu schwinden.

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