Wieviel Nachhaltigkeit steckt im Minimalismus?

In einer Welt, die ständig mehr, besser und schneller will, stellt ein Leben nach dem Motto „weniger ist mehr“ einen herausfordernden Gegenentwurf da. Geht es doch um die bewusste Reduktion von Besitz, Konsum und Aktivitäten. Ähnlich wie bei einem nachhaltigen Lebensstil, bei dem sich das Handeln an der Umweltverträglichkeit ausrichten. Gehören beide zwangsläufig zusammen? Geht Nachhaltigkeit überhaupt ohne Minimalismus?

Beide Lebensstile basieren auf der Idee, dass weniger besser ist. Dafür müssen wir unser Handeln kontinuierlich reflektieren und anpassen. Somit können wir unser Leben, wie auch unseren Einfluss auf die (Um)welt, verbessern. Doch wie hängen Minimalismus und Nachhaltigkeit konkret zusammen und warum kann Ausmisten kontraproduktiv sein?

Minimalismus und Nachhaltigkeit – Was haben die beiden miteinander zu tun?

Minimalismus ist ein Lebensstil, der auf Einfachheit und die Reduktion auf das Wesentliche abzielt. Es geht darum, bewusste Entscheidungen zu treffen, unnötigen Konsum zu reduzieren und nur das zu behalten, was einen wirklichen Wert oder Zweck in unserem Leben hat.

Nachhaltigkeit hingegen konzentriert sich auf die langfristige Bewahrung unserer Umwelt, indem wir Ressourcen sparsam und verantwortungsbewusst nutzen. Dies bedeutet, Entscheidungen zu treffen, die nicht nur unseren eigenen Bedürfnissen entsprechen, sondern auch die der zukünftigen Generationen berücksichtigen.

In beiden Fällen geht es um bewussten Konsum. Es ist daher wenig überraschend, dass Minimalismus und Nachhaltigkeit so eng miteinander verknüpft sind.

So unterstützt uns Minimalismus beim Streben nach Nachhaltigkeit

Jedes Produkt, das wir kaufen, hat einen ökologischen Fußabdruck. Das beginnt bei der Rohstoffgewinnung und Produktion, geht weiter über den Transport sowie Verkauf und endet bei der Entsorgung. Je weniger wir also konsumieren, desto geringer ist auch unser ökologischer Fußabdruck. Insofern trägt jeder Schritt hin zu einem minimalistischen Lebensstil auch zum Umweltschutz bei.

Es ist klar, dass Minimalismus und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können. Indem wir uns auf das Wesentliche konzentrieren und überflüssigen Konsum reduzieren, schonen wir nicht nur unsere eigenen Ressourcen, sondern auch die der Erde.

Es gibt viele Wege, wie Minimalismus Nachhaltigkeit unterstützen kann. Hier sind nur ein paar davon:

  • Weniger Ressourcenverbrauch: Je weniger wir konsumieren, desto weniger Ressourcen verbrauchen wir. Das schont nicht nur unseren Geldbeutel, sondern auch unseren Planeten.
  • Weniger Abfall: Je weniger wir kaufen, desto weniger Abfall produzieren wir. Das gilt vorwiegend für Produkte mit viel Verpackung oder solche, die schnell kaputtgehen.
  • Längere Nutzungsdauer: Minimalisten setzen auf Qualität statt Quantität. Das bedeutet, dass sie lieber ein paar teurere, langlebigere Produkte kaufen, statt viele billige, die schnell ersetzt werden müssen. Das spart nicht nur Geld, sondern auch Ressourcen.
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Warum übermäßiges Ausmisten nicht nachhaltig ist

Dennoch bedeutet dies nicht, dass minimalistisches Handeln auch immer nachhaltig ist. Der Einstieg in einen minimalistischen Lebensstil beginnt oftmals mit Entrümpeln. Tipps und Ratschläge gibt es dazu jede Menge: Vom Beziehungsprinzip, das davon ausgeht, alles loszuwerden, was wir nicht besonders schätzen, bis zum Schachtelprinzip, bei dem Dinge, die eine bestimmte Zeit in Kartons ohne Benutzung herumbummeln, verschwinden dürfen. Dabei geht es oftmals ziemlich radikal zu. Ganz nach dem Motto „je mehr, desto besser“.

Die Vorteile liegen auf der Hand: ist schnell und effektiv. Leider oftmals zu schnell und gar nicht effizient. Denn wer zu schnell entrümpelt, kauft oftmals doppelt. Denn später merkt man, dass man die alte Bohrmaschine doch wieder benötigt – oder Omas Teeservice schrecklich vermisst. Entsorgen wir Dinge übereilt, laufen wir Gefahr, dass wir sie zu einem späteren Zeitpunkt neu kaufen müssen.

Es kann daher nicht das Ziel sein, möglichst viel möglichst schnell loszuwerden. Tatsächlich kann übermäßiges Ausmisten genau das Gegenteil von Nachhaltigkeit sein. Minimalismus bedeutet Reflexion über Besitz und Konsum. Es ist kein Wettbewerb, bei dem derjenige gewinnt, der am wenigsten hat.

Wenn wir Dinge, die wir nicht mehr wollen oder benötigen, einfach wegwerfen, landen sie auf Deponien oder werden verbrannt. Dies trägt zur Umweltverschmutzung und zur Klimakrise bei. Zudem verschwenden wir Ressourcen, wenn wir Produkte vor ihrer Lebensdauer entsorgen.

Bewusstes Entsorgen ist daher genauso wichtig wie bewusstes Einkaufen.

Nachhaltigkeit deluxe: Schöne Dinge kaufen

Ihr mögt hochwertige, teure Dinge? Sogenannte Luxusprodukte. Auch solche Käufe können nachhaltig sein. Oftmals sind sie es sogar mehr als ihre günstigen Geschwister. Das hat mehrere Gründe:

  1. Der Kauf will wohlüberlegt sein. Mal eben mehrere Tausende Euro für eine Uhr ausgeben? Die wenigsten machen das einfach so. Und wenn dann gekauft wird, ist es überlegt und die Wahrscheinlichkeit eines Fehlkaufs gering. Zudem hat man sich eingeschränkt, um sich die Uhr leisten zu können, hat also weniger andere Dinge gekauft. Auch führen längere Überlegungen häufig dazu, es sein zu lassen. Impulskäufe finden so eher nicht statt.
  2. Sie halten länger. Teures ist oftmals hochwertiger hergestellt und hält daher länger. Gut für die Umwelt und meistens auch gut für den Geldbeutel, dann langfristig betrachtet ist ein teurer Staubsauger billiger als drei günstige.
  3. Sie machen mehr Spaß. Hochwertige Produkte funktionieren zuverlässiger und ihre Benutzung bereitet mehr Freude. Oftmals sind es Haptik und Design, die den Gebrauch zu einem Genuss machen. Solche Dinge halten nicht nur länger, sondern bereiten dabei auch mehr Freude. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie schnell ersetzt werden, ist somit geringer.
  4. Sie behalten ihren Wert. Hochwertige Dinge haben auch noch nach Jahren des Gebrauchs einen Wert. Möchten wir sie loswerden, lohnt sich der Verkauf. Anstatt, dass sie auf dem Müll landen und somit die Umwelt belasten, wechseln Sie die Besitzer:in und wir haben sogar Geld für etwas Neues.
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Angesichts der Tatsache, dass immer weniger Produkte heute überhaupt repariert werden, geschweige denn repariert werden sollen, ist das bewusste Kaufen langlebiger Produkte wichtiger denn je. Elektronik ist voll mit seltenen Erden, deren Abbau an sich bereits eine große Belastung für die Umwelt ist und die Entsorgung auch nicht gerade vereinfacht. Es sind jedoch gerade diese Produkte, die als Retoure im Online-Shopping eher entsorgt als wieder in den Verkauf genommen werden, die im Fall eines Defekts gegen ein neues ausgetauscht werden, anstatt es zu reparieren. Bewusster Minimalismus kann hierbei echte Nachhaltigkeit sein, wenn er dazu führt, dass wir weniger kurzlebige Dinge kaufen.

Dies gilt auch für teure Produkte. So ist etwa eine gut ausgestattete Smartwatch, wie eine Apple Watch, nicht gerade billig. Gleichzeitig ist sie voll mit aufwendig zu entsorgenden Bauteilen sowie Akku und schwierig zu reparieren. Für dasselbe Geld gibt es bereits hochwertige Uhren namenhafter Hersteller. Die können zwar – anders die Apple Watch – nur Uhrzeit (und Datum) anzeigen. Dafür brauchen sie maximal eine Batterie, können repariert werden und locker ein Leben halten. Wer eine Smartwatch kauft, kauft sich meistens regelmäßig eine neue. Für vier Apple Watch gibt’s schon was richtig Schickes, was Mann oder Frau gerne ein Leben lang trägt.

Minimalismus und Nachhaltigkeit in der Praxis

Also, wie kann man Minimalismus auf eine nachhaltige Weise praktizieren? Hier sind einige Tipps:

  1. Wiederverwendung und Recycling: Anstatt Dinge einfach wegzuwerfen, schau, ob du sie wiederverwenden oder recyceln kannst. Vielleicht kannst du alte Kleidungsstücke zu Stofflappen machen oder alte Möbel neu lackieren oder umfunktionieren. Recycling hilft auch dabei, die Abfallmenge zu reduzieren und Ressourcen zu sparen.
  2. Spenden und Verkaufen: Wenn du etwas nicht mehr benötigst, überlege dir, ob jemand anderes es verwenden könnte. Du könntest Dinge, die noch in gutem Zustand sind, spenden oder verkaufen.
  3. Qualität statt Quantität: Kaufe weniger, aber bessere Qualität. Qualitativ hochwertige Produkte halten oft länger und müssen seltener ersetzt werden, was sowohl für deinen Geldbeutel als auch für die Umwelt besser ist. Hochwertige Produkte machen auch mehr Spass im Gebrauch. In der Regel funktionieren sie besser, fühlen sich besser an und sehen oftmals gut aus. Oftmals lohnt sich auch eine Reparatur eher.
  4. Bewusster Konsum: Überlege dir, bevor du etwas kaufst, ob du es wirklich benötigst und ob es zu deinem Lebensstil passt. Kaufen aus Impuls oder Gewohnheit kann dazu führen, dass du Dinge ansammelst, die du eigentlich nicht brauchst oder willst.
  5. Repariere und pflege deine Sachen: Viele Dinge können repariert werden, statt sie wegzuwerfen und neu zu kaufen. Das ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern stärkt auch die Wertschätzung für das, was wir haben.
  6. Tausche und leihe: Nicht alles, was wir benötigen, müssen wir auch besitzen. Vielleicht gibt es Dinge, die du dir von Freunden ausleihen oder in Tauschbörsen finden kannst. So sparst du Geld und vermeidest unnötigen Besitz.
  7. Reduziere Plastik: Versuche, Plastikverpackungen wo immer möglich zu vermeiden. Viele Supermärkte bieten mittlerweile unverpackte Lebensmittel an. Und auch im Badezimmer lassen sich viele Plastikprodukte durch nachhaltige Alternativen ersetzen.
  8. Unterstütze nachhaltige Unternehmen: Achte beim Einkaufen auf Siegel und Zertifikate, die nachhaltige Produktion und faire Arbeitsbedingungen garantieren. So kannst du mit deinem Geld Unternehmen unterstützen, die sich für unsere Umwelt einsetzen.
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Fazit

Minimalismus und Nachhaltigkeit sind zwei Seiten derselben Medaille: Beide gehen davon aus, dass weniger mehr sein kann, und beide können dazu beitragen, unseren Planeten zu schützen. Sie helfen uns, bewusster und achtsamer zu leben und unsere Auswirkungen auf die Welt positiv zu gestalten. Indem wir unseren Besitz und unseren Konsum reduzieren, schonen wir nicht nur unsere Nerven und unseren Geldbeutel, sondern auch unsere Umwelt. Bewusster Konsum bedeutet nicht, einfach weniger, sondern bewusster zu kaufen. Das kann auch bedeuten, teuer zu kaufen.

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